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AutorenbildJulia Ramos

Wann ist toxisches Verkaufen so richtig gefährlich?

Toxisches Verkaufen ist gefährlich, weil ich mit scheinbar logischen und ehrlichen Argumenten einen Kunden zum Kauf bewege, indem ich ihm eine mögliche Zukunft vorgaukle, die in dieser Realität höchstens durch Glück wahr werden könnte.

Wie toxisches Verkaufen in meinen Augen aussehen könnte, möchte ich an einem Beispiel zeigen.

Ich hatte mich zu einer Challenge angemeldet, dessen Ziel ein eigener Onlinekurs war. Dies war relativ am Anfang meines Business, das heißt ich war noch relativ leicht beeinflussbar, da mein kritisches Denken auf diesem Gebiet noch nicht geschult war.

Das ist schon mal ein wichtiger Punkt, an dem ich toxisches Verkaufen festmache: Wenn ich den Umstand ausnutze, dass mein Kunde noch nicht viel Erfahrung hat und ich ihm deswegen „leichter“ etwas als eine tolle Lösung präsentieren kann, als ich es könnte, wenn er erfahrener ist: dann ist das toxisch. Bei authentischer Kommunikation behandle ich meinen Kunden mit Respekt und erläutere ihm ganz klar Vor- und Nachteile meines Angebotes, voll wissentlich, dass er dann vielleicht nicht kauft.

So, die Challenge war in einer Online-Gruppe organisiert und es gab Lives. Eines der ersten Lives war die Initiatorin der Challenge, in der sie offen und ehrlich von ihrem Werdegang und ihren Gefühlen gesprochen hat. Das hat mich sehr angesprochen und ich habe mich sofort wohlgefühlt und vor allem: gut aufgehoben.

In einem der nächsten Calls war dann ein Mitarbeiter Live in der Gruppe und auch er war offen und sehr sympathisch. Er hat aus vollem Herzen heraus die Vorteile eines Online-Kurses benannt und ich war viel am Nicken und Zustimmen. (Ein toxischer Verkäufer nennt so etwas die Ja-Phase. Der Kunde kann den Aussagen zustimmen, dadurch wird sein kritisches Denken langsam ausgebremst und er tätigt später leichter einen Abschluss. Sehr wahrscheinlich wird er das später bereuen, doch das interessiert den Verkäufer wenig.)

Ich bin hellhörig geworden als er anfing vorzurechnen, wie viel Geld wir mit gewissen Online-Kursen verdienen könnten und wie leicht das eigentlich ist. Man muss ja nur einen Schritt weiter sein, als die Zielgruppe und je teurer der Online-Kurs dann verkauft wird, desto weniger Kunden braucht man, um richtig viel Geld zu verdienen. Innerhalb von Minuten war ich bei einem möglichen Jahreseinkommen von 100.00 EUR und wenn ich es geschickt mache, dann sogar bei 200.000 EUR.

Meine Ja-Phase war hier beendet, aber für die meisten Zuhörer ging es jetzt erst richtig los, denn mit dieser Aussicht (wenig Aufwand und viel Ertrag) war das kritische Denken fast ganz aufgelöst. Ich war jetzt auf der Hut und habe bereits ein toxisches Argument erwartet, denn der Preis für so ein Programm musste relativ hoch sein.

Und als es dann zu dem Preis des Programms kam, war meine Befürchtung bestätigt.

Das Verkaufsargument für dieses Programm (das mehrere tausend EUR gekostet hat) war:

Was kostet dich mehr? Jetzt die Zähne zusammenzubeißen und den hohen Betrag zu bezahlen, aber dafür dann halt ein sehr hohes Jahreseinkommen zu haben. Oder eben nicht zu investieren und somit auf ein kleines Vermögen zu verzichten?

Das ist absolut toxisch! Denn hier wird Menschen geraten mit gefährlichem Halbwissen einen Kurs zu erstellen, um damit Geld zu verdienen.

Das ist für mich sehr zweifelhaft, denn zum einen kann dem Kunden nicht versprochen werden, dass er tatsächlich so viel Geld mit seinem Online-Kurs verdient und zum anderen wird in Kauf genommen, dass die Käufer des Online-Kurses unter Umständen viel Geld in einen Online-Kurs investieren, der nicht ansatzweise wertig ist.

Bei so etwas kann ich richtig wütend werden! Um es ganz klar zu sagen: Da draußen gibt es Menschen, die mit ihrer Problemstellung Hilfe suchen und in Online-Kurse vertrauen und es wird billigend in Kauf genommen, dass sie ihr hart verdientes Geld in einen minderwertigen Kurs investieren. Und warum? Weil durch toxisches Marketing Menschen ermutigt werden genau solche minderwertigen Kurse zu erstellen und sie zu verkaufen, weil sie damit ein kleines Vermögen aufbauen können(ten). Ganz leicht, ohne viel Zeit in Wissensaufbau zu verschwenden. Der einzige „Gewinner“ ist der Anbieter des Programmes zur Erstellung von Online-Kursen.

Ich möchte betonen, dass ich hier keine böse Absicht unterstelle, denn vielleicht wissen auch sie es nicht besser. Es könnte theoretisch sein, dass sie sich einen Coach/ Trainer gesucht haben, der dieses Vorgehen als gut vermittelt hat.

Und da sind wir auch schon bei einem wichtigen Punkt: toxisches Verkaufen ist dann so richtig gefährlich, wenn der Verkäufer sich seiner Toxizität nicht bewusst ist.

Was meine ich?

Das ist insofern äußerst gefährlich, weil der Zuhörer die Aufrichtigkeit spürt und deswegen an den Wahrheitsgehalt der Aussage glaubt.

Wenn mir ein „schmieriger“ Verkäufer etwas auf quatschen will, von dem er selber weiß, dass es nicht gut ist, dann hat zumindest mein Bauchgefühl die Möglichkeit mich zu warnen, weil es sich nicht stimmig anfühlt.

Doch wenn der Verkäufer mit Herzblut überzeugt ist, dann kann mein Bauchgefühl mich nicht warnen.

Aber, wie kann das denn jetzt sein? Ist da kein riesen Unterschied zwischen toxischem Verkaufen und authentischer Kommunikation?

Doch es gibt einen großen und zum Glück sehr erkennbaren Unterschied.

Den erläutere ich in meinem nächsten Artikel

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